Wie ein Sternekoch Gemüse „aktiviert“

Celine Balhas

Bei Mensaessen denken viele an fettige Schnitzel oder labbriges Gemüse. Schlechtes Schulessen ist für Sternekoch Stefan Marquard ein Unding. Beim Kochtraining am Sportgymnasium zeigt er, wie leicht gesundes und leckeres Essen gezaubert ist.

Sternekoch Stefan Marquardt hat es sich zur Aufgabe gemacht, möglichst vielen Schulen zu besserem Essen zu verhelfen. Fotos: Michael Bauroth

Oberhof „So, ihr holt euch jetzt hier alle einmal eine Schürze von mir“, sagt Jörg Andersson von der Knappschaft. Er winkt mit einem Stapel knallroter Kochschürzen einer Gruppe Schüler zu. Langsam wird es voll an diesem Morgen in der Schulküche im Oberhofer Sportgymnasium. Während sich die Schüler noch ihre Schürzen umbinden, nimmt die Küchencrew sie für ihren Einsatz in Empfang. Unter den Köchen finden die Blicke sofort ein bekanntes Gesicht – markant mit dunklem Brillengestell und Ziegenbart, das auch auf die Schürzen der Schüler gedruckt ist. „Stefan Marquard – Sterneküche macht Schule“, steht darauf.

Und genau das ist an diesem Tag Programm. TV- und Sternekoch Stefan Marquard ist zu Gast in der Schulküche im Sportgymnasium, um zu zeigen, dass gesundes Mittagessen schmeckt und Kochen Spaß macht. Dafür zeigt er Schülern der neunten und zehnten Klasse, worauf es bei der Zubereitung ankommt. Schnell teilen sie sich in Gruppen auf. Zwei Gerichte stehen für diesen Tag auf dem Speiseplan: Ein Hackbraten mit Reis und ein vegetarisches Linsendaal. „Im Hackbraten ist genauso viel Gemüse wie Fleisch, außerdem Brokkolisamen und Brennnesselsamen, die voller Nährstoffe sind“, erklärt der Sternekoch.

Besonderer Braten und Soße

Auch sein Bruder, Wolfgang Marquard, begleitet ihn bei dem Projekt, das zusammen mit der Knappschaft-Krankenkasse durchgeführt wird. Mit zwei Schülern beginnt Wolfgang Marquard, eine Soße zuzubereiten. „Unsere Soße machen wir fast nur aus Gemüse“, sagt er. In einem großen Kippkessel wurde dieses bereits weich gegart. Bevor die Schüler beginnen, die Mischung im Mixer zu pürieren, erklärt der Koch, wie das Ergebnis werden soll. „Ihr sollt vier Geschmäcker rausschmecken können: Salzig, süß, sauer und scharf – bitter lassen wir besser aus“. Dann zeigt er ihnen, wie sie das erreichen. Gemeinsam mit Hafermilch wird das Gemüse in einem großen Hochleistungsmixer bearbeitet. Dann drückt er den Schülern einen Löffel in die Hand und lässt sie probieren.

Während Wolfgang Marquard mit den Schülern nachwürzt und abschmeckt, breitet sich produktives Chaos in der Küche aus. Während vier Jungs eifrig einen Berg Gemüse klein schnippeln, braten gegenüber zwei ihrer Klassenkameraden Zwiebeln an. Begleitet von einer riesigen Dunstwolke wenden sie in der großen Kochstelle die Zwiebeln. Unter Anleitung eines Kochs geben sie Kichererbsen und weitere Zutaten dazu. Der Raum füllt sich mit dem Geruch von Gebratenem. Mit einem breiten Pfannenwender gräbt Schüler Christian Weiß in dem Essen herum. Schon etwas anderes, als zuhause eine normal große Portion zu kochen, oder? „Ja, es ist ungewohnt, aber es macht sehr viel Spaß“, sagt der 16-jährige Langläufer. Die Kommunikation in einer großen Küche gestaltet sich dabei auch gar nicht so einfach. Unter dem Kreischen des Mixers, dem Brutzeln der Pfanne und dem Klappern der Töpfe erklären die Köche den Schülern die nächsten Arbeitsschritte. Olivenölflaschen werden über die Kücheninsel gereicht, Salzpackungen wechseln die Hände.

Gesunde Küche ist gerade im Profisport essenziell.

Als alles Gemüse geschnitten ist, zeigt Stefan Marquard den Schülern seine besondere Garmethode. Sie ist das Herzstück seines Kochtrainings. In einer Supermischung aus Salz mit einem geringen Anteil an Zucker „aktiviert“ er das Gemüse, wie er es nennt. Dafür streut er die Mischung großzügig über die Karotten und Zucchini. „Das machen wir zehn Minuten vor dem Weiterverarbeiten“, sagt er. Dadurch verkürze sich die Garzeit der Lebensmittel. „75 Prozent des Garprozess ist dadurch bereits durchlaufen“, erklärt er. Das Projekt „Sterneküche macht Schule“ verfolgt das Ziel, frische und gesunde Mahlzeiten auf den Speiseplan in Schulmensen zu ermöglichen, ohne Mehrkosten zu verursachen. „Wir verfolgen das Motto der Genialität der Einfachheit“, sagt Stefan Marquard. Mit dem richtigen Wissen könnten bis zu 30 Prozent weniger Kosten bei Wareneinkauf und Energie gespart werden.

Die Schüler lernten jede Menge Küchen-Kniffe von den Profis.

Gemüse – was besser als blanchieren ist

In Schulmensen liege die Herausforderung meist darin, Mahlzeiten zeitsparend zubereiten zu müssen und trotzdem den Geschmack zu erhalten. „Normalerweise wird das Gemüse blanchiert“, sagt Stefan Marquard. Bis es dann auf dem Teller der Schüler lande, habe es bereits einen großen Teil der Nährstoffe verloren. Deswegen setzt er auf die Aktivierung. Weil die Lebensmittel schnell fertig sind, können sie dann gegart werden, wenn das Essen auch wirklich gebraucht wird. Stefan Marquard und die Knappschaft waren mit seinem Projekt bereits an über 200 Schulen. Das Sportgymnasium Oberhof ist die erste in Thüringen, an der sie Halt machen. Termine in Bad Tabarz und Blankenhain sind noch geplant. Ihr Kochtraining findet immer an zwei Tagen statt. Am ersten Tag schult der Sternekoch die Küchenkräfte in seinem Konzept. Am Folgetag werden Schüler mit einbezogen und bereiten gemeinsam das Essen zu.

„Ich hatte noch nie einen Schüler in der Küche, der da nicht voll Bock drauf hatte“, sagte er. Wichtig sei immer, auf Augenhöhe mit ihnen zu sprechen, ohne die Schüler zu belehren. Selbst abzuschmecken, zu kochen und sich auszuprobieren – so schaffe man das Bewusstsein für gesunde Ernährung schon in jungen Jahren. Deshalb betreibt auch die Knappschaft das Präventionsprojekt: „Die Krankenkasse verfolgt die Idee, zeitig dabei zu sein und eine gesunde Lebensweise auf den Weg zu bringen“, sagt Pressesprecher Jörg Andresson.

Freies Wort vom 07.05.2025